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Was lehrt uns Lassing?

Standard, 20.7.1999 (Anlaß: Lassing-Gedenken, Verkehrstote, Demokratiewerkstatt, spin doctors)

Vor einiger Zeit berichteten die Medien über den Anstieg der Zahl der Verkehrstoten auf Österreichs Straßen. Erinnern Sie sich noch? 452 Tote in nicht ganz einem halben Jahr, um 17 Prozent mehr als im Vergleichzeitraum des Vorjahres.

Wenig später sendete das Fernsehen eine Reportage über Lassing, ein Jahr nach dem Bergwerksunglück. Dabei wurde deutlich, wie unterschiedlich die Öffentlichkeit auf Berichte über Unglücksfälle reagiert: Die Opfer des Straßenverkehrs werden mehr oder weniger achselzuckend zur Kenntnis genommen. Das Unglück im Bergwerk beschäftigte die Öffentlichkeit wochenlang.

Für den politisch Interesierten besonders auffallend in diesem Zuammenhang: Im Fall Lassing wurde die Frage nach der politischen Verantwortlichkeit des zuständigen Ministers lautstark thematisiert, der Anstieg der Opferzahlen im Straßenverkehr hingegen hat diese Frage bislang nicht aufgeworfen.

Das ist insofern erstaunlich, als das Risiko eines Verkehrsunfalls ungleich mehr Menschen in viel größerem Ausmaß trifft als das Risiko, bei einem Bergwerksunglück umzukommen. Und es ist umso erstaunlicher, als die eingangs erwähnten Berichte auch auf das Ergebnis einer Studie verwiesen, wonach die Zahl der Verkehrsopfer bei stärkeren Kontrollen des Straßenverkehrs sinken würden und die Verantwortung der Politik für den Tod im Straßenverkehr somit recht unmißverständlich belegt ist.

Es ist jedenfalls heilsam, die Ver-Rückt-heit der öffentlichen Meinung einmal so drastisch vor Augen geführt zu bekommen wie in diesem Fall.

Politisches Paradoxon

Öffentlichkeit ist eine wichtige Rahmenbedingung für Politik. Habermas nannte sie 1962 den Transmissionsriemen, der den politischen Akteuren die Bedürfnisse der Gesellschaft vermittelt. So weit, so demokratisch - zumindest in der Theorie.

Wie das in der Praxis aussieht, war unlängst Gegenstand einer bemerkenswerten Diskussion mit Jugendlichen im Rahmen einer von der Politischen Akademie organisierten "Demokratiewerkstatt". Tenor der Kritik: Politik reagiere meist nur auf Schockereignisse, und Gesetze würden häufig bloß Scheinlösungen darstellen.

Die sensible Wahrnehmung politischer Vorgänge ausgerechnet durch Jugendliche, denen man üblicherweise kein politisches Interesse zutraut, ist gewiß bemerkenswert. Sie enthält aber auch einen wichtigen Hinweis auf ein Paradoxon der politischen Kommunikation: Die von den Bürger/innen getragene Öffentlichkeit läßt sich zunehmend von Stimmungen leiten, die politisch befriedigt werden wollen (siehe zweite Röhre im Tauerntunnel).

Fataler Trend

Gleichzeitig aber scheint den Bürger/innen bewußt zu sein, daß Politik mehr sein muß: Es gibt ein Bedürfnis nach politischer Führung - und die zeigt sich gerade darin, vernünftige Lösungen auch gegen öffentliche Stimmungen durchzusetzen.

Derzeit erleben wir allerdings einen ganz gegenteiligen Trend: Unter "Professionalisierung" der Politik wird das Anheizen und Ausnützen öffentlicher Stimmungen verstanden, die dafür zuständigen doctors spezialisieren sich darauf, diesen Stimmungen jenen spin zu geben, der "ihrem" Kandidaten jeweils am meisten Umsatz (= Stimmen) sichert.

Sie Qualität unserer Demokratie wird daher - so wichtig mediale Öffentlichkeit auch ist - in Zukunft immer mehr davon abhängen, wie weit es gelingt, neben der medialen auch andere Formen politischer Öffentlichkeit zu schaffen. Veranstaltungen wie die genannte Demokratiewerkstatt, sind ein Schritt in diese Richtung. Auf breiter Ebene könnte dazu aber viel mehr möglich sein. - Um beim Beispiel Verkehrssicherheit zu bleiben: Politische Kommunikation zu dieser Frage muß sich nicht auf kreative Plakate beschränken, es könnten auch kreative Veranstaltungen sein, die - gemeinsam mit den Betroffenen - regionale Konzepte zur Erhöhung der Verkehrssicherheit entwickeln.

Das Wissen und die Methoden dafür gibt es ebenso wie die Einrichtungen der Erwachsenenbildung, die solche Veranstaltungen durchführen könnten. Was (vielleicht?) noch fehlt, ist der Wille, auch dafür Geld auszugeben - und nicht nur für Plakate.

Karl Staudinger lebt als Politiktrainer und Publizist in Preßbaum bei Wien.