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Transparenz statt Mauschelei

Standard, 1.10.1998 (Anlaß: Besetzung einer Richterstelle am Verfassungsgerichtshof)

Die Verfassung unserer Republik baut ein eigentümliches Spannungsfeld zwischen Politik und Recht auf: Auf der einen Seite Parlament und Regierung, die im Rampenlicht der Öffentlichkeit und unter dem Druck regelmäßiger Wahlen die Lebensverhältnisse der Menschen in diesem Land politisch gestalten. Auf der anderen Seite ein kleines Gremium von 14 Personen, die diese Entscheidungen - hauptsächlich aufgrund von Beschwerden betroffener Bürger/innen - permanent rechtlich auf ihre Übereinstimmung mit der Verfassung überprüfen.

Dieses Gremium, der Verfassungsgerichtshof, ist für seine Entscheidungen niemandem verantwortlich. Seine Mitglieder bekleiden ihr Amt unversetzbar und unabsetzbar bis in ihr 71. Lebensjahr. Im Einzelfall mag das verwunderlich erscheinen, etwa wenn ein Mehrheitsbeschluß in einem Gerichtshof von 14 Personen Milliarden von Steuerschillingen umdirigiert oder einer heißen öffentlichen Debatte über eine Verkehrstrasse einen unabänderlichen Schlußpunkt setzt.

Im Grunde aber liegt in dieser Konstruktion ein wichtiges Potential für die Stabilität und den Zusammenhalt der Republik: Gerade die Unabhängigkeit der Verfassungsrichter/ innen, gerade ihre Distanz zur Öffentlichkeit und - vor allem - zu den Mächtigen kann einen klaren, und für alle annehmbaren Rahmen für politische Auseinandersetzungen in diesem Land schaffen.

Proporzlogik

Die Trennung der Gewalten weicht ihrer Verschränkung, wenn Richter zu ernennen sind, und heuer im Herbst ist es wieder einmal soweit: Am Verfassungsgerichtshof sind zwei Mitglieder und zwei Ersatzmitglieder nachzubesetzen, die entsprechenden Besetzungsvorschläge an den Bundespräsidenten sind sowohl von der Bundesregierung als auch vom Nationalrat zu erstatten.

Es ist klar, daß die freiwerdenden Posten in der juristischen Welt zu den begehrtesten Jobs im Land zählen, und dementsprechend scharren verschiedenste Kandidaten heftig mit den Hufen. Besonderes Interesse verdient hier allerdings die Art und Weise, wie die Politik mit dieser Personalentscheidung, umgeht.

Da ist zum einen die bekannte - und unbestrittene - Tatsache, daß die Sitze am Beratungstisch des Verfassungsgerichtshofes parteipolitisch gefärbt sind. Wird ein roter Sessel frei, so liegt entsprechend einer jahrzehntealten Vereinbarung zwischen den beiden großen Parteien das Vorschlagsrecht bei der SPÖ, im umgekehrten Fall bei der ÖVP. Die Tatsache, daß politische Parteien in dieser Frage neben der Verfassung Vereinbarungen treffen, klingt abenteuerlich, ist allerdings plausibel: Der bloße Zufall könnte einer Partei dazu verhelfen, während ihrer Regierungszeit eine Mehrheit ihrer Parteisoldaten am Gerichtshof zu installieren. Das beiden zu riskant, daher die Vereinbarung.

Die Frage, die hier offen bleibt: Es gibt mehr als bloß zwei Parteien. Warum haben nur Kandidaten, die ÖVP und SPÖ gefallen, eine Chance?

Zum anderen fällt hier eine bestimmte politische Kultur des Umgangs mit solchen Besetzungsfragen auf: In Erinnerung ist vielleicht noch, daß Bundespräsident Klestil einmal den Nationalrat aufforderte, ein Kandidaten-Hearing abzuhalten, und - als dieses nicht stattfand - aus einem Dreiervorschlag des Nationalrates die Drittgereihte und nicht, wie üblich, die Erstgereihte ernannte. Die Folge war eine Änderung des Verfassungsgesetzes. Seither erstattet der Nationalrat nur mehr Ein-Personen-Vorschläge.

Es ist offensichtlich: Die beiden Großparteien sehen die Besetzung von Richterstellen am Verfassungsgerichtshof als ein Betätigungsfeld ihrer machtpolitischen Ambitionen. Was erwarten sie sich dabei? Darüber kann man spekulieren. Möglicherweise eine Rechtsprechung des Gerichtshofes in ihrem Sinne; das dürfte allerdings nicht selten eine Illusion sein, denn wer den Posten einmal hat, der hat ihn und daher keinen zwingenden Anlaß, Dankbarkeit zu zeigen. Und wie sich ein Mensch in der Gruppendynamik des Gerichtshofes entwickelt und durchsetzt, das ist wahrlich schwer vorhersehbar, schon gar nicht kontrollierbar. Eine andere Spekulation erscheint plausibler: Die Großparteien scheinen zu glauben, daß sie ihren Parteigängern Karrieren anbieten können müssen, um attraktiv zu sein.

Fehlkalkulation

Tatsächlich dürften viele Menschen sich in ihrer Parteiloyalität von den beruflichen Chancen leiten lassen, die sie sich von der Partei erhoffen. Die Stimmen derer, die über die Partei einen Job kriegen, sind aber weniger als die Stimmen, die verloren gehen, wenn wieder die Parteizugehörigkeit und nicht die Qualifikation über eine Stelle entschieden hat. Und die Loyalität von Menschen, die nur ihre eigene Karriere im Sinn haben, wenn sie die Partei unterstützen, höhlt deren Substanz gefährlich aus.

Ein zukunftsorientiertes Konzept für den Umgang mit den Personalaufgaben der Politik, gerade auch mit der Besetzung von Richterstellen am Verfassungsgerichtshof, muß daher auf größtmögliche Transparenz zielen. Die Diskussion über Vorschlagsrechte der Parteien kann dabei nicht ausgespart bleiben. Noch wichtiger aber ist eine neue politische Kultur bei der Ausübung dieser Rechte.

Minimalprogramm

Diese hat - als Minimalprogramm - zu beinhalten: 1. ein öffentliches Hearing aller Bewerber/innen; 2. die Offenlegung der Entscheidungskriterien und 3. eine klare öffentliche Begründung, warum die gewählte Kandidatin bzw. der gewählte Kandidat die Entscheidungskriterien am besten erfüllt. Die bloße Behauptung Peter Kostelkas im heurigen Jänner, die Kandidatin habe beim Hearing "das erwünschte Anforderungsprofil" nicht erfüllt, darf in Zukunft nicht ausreichen.

Gelingt es beim Besetzungsvorgang, parteipolitisches Machtdenken in den Hintergrund zu rücken, so tun die Parteien damit etwas für sich selbst, und zwar im Hinblick auf jene, die für sie wichtig sind bzw. wichtig sein sollten, nämlich die Wähler/innen. Nicht zuletzt würden sie damit aber auch etwas für den Verfassungsgerichtshof tun, der sein Potential umso besser realisieren kann, je weniger seine Mitglieder bei ihrer Bewerbung auf parteipolitische Erwägungen Rücksicht nehmen mußten.