politiktraining.at | aktuell

tel 0664/5308419

politiktraining.at

Aktuell

Person

Leistungen

Kontakt.Infos

politiktraining.net

 

Themen

CMC und CSCL

Gemeindewahl05

Training/kommunal

Mandatsberechnung

Schweigepflichten

Themenliste

 

Studie 1 2 3 4 5

Interview

Volksanwalt Dr. Peter Kostelka zur Amtsverschwiegenheit und ihrer Reform durch den Verfassungskonvent /Leseprobe

Peter Kostelka hat im Verfassungskonvent die Verhandlungen des Ausschusses VIII "Demokratische Kontrollen" geleitet, der sich auch mit dem Thema Auskunftspflicht und Amtsverschwiegenheit beschäftigte. Ich habe ihn im Rahmen meiner Studie über Schweigepflichten in oö Gemeindestuben um ein Online-Interview gebeten. Im folgenden meine Fragen und die Antworten des Volksanwaltes.

Herr Dr. Kostelka, Sie sind als Volkanwalt u.a. für die Prüfung von Missständen in den Bereichen Soziales, Verkehr und Jugend zuständig. Welche Bedeutung hat aus der Sicht ihrer Erfahrungen die Amtsverschwiegenheit in einer modernen Demokratie? Brauchen wir sie überhaupt noch?

Ein Teil der Beschwerden bei der Volksanwaltschaft wird überhaupt nur dadurch ausgelöst, dass der Bürger von der Verwaltung keine oder nur unzureichende Antworten auf seine Fragen erhält. Nicht selten wird hiebei die Amtsverschwiegenheit als Begründung angeführt. Manchmal geschieht dies zu Recht. In der überwiegenden Zahl der Fälle wird die "Amtsverschwiegenheit" aber als eine Art "Herrschaftsinstrument" verwendet. Diesem Verhalten liegt ein unrichtiges, aber immer wieder anzutreffendes administratives Prinzip zu Grunde: Eine Verwaltung, die keine Antwort gibt, braucht sich auch nicht zu verantworten. Die Amtsverschwiegenheit verhindert daher sehr oft, dass sich Bürger und Verwaltung auf gleicher Ebene und mit gleichen Informationsstand miteinander auseinandersetzen können.

Zudem sind für den Bürger in vielen Fällen die Grenzen nicht so klar. Er fragt in gleicher Weise nach Rechtsgrundlagen, wie nach Entscheidungsgrundlagen der Behörde auf Grund der Aktenlage. In vielen, ja in den meisten Fällen, nimmt sich die Verwaltung insbesondere in den Gemeindestuben den Bedürfnissen des "rechtsuchenden Bürgers" an.

Die Volksanwaltschaft hat aber mit den Fehlleistungen der Verwaltung zu tun. In diesen wird – wie bereits gesagt – die Amtsverschwiegenheit nicht selten überinterpretiert und als Instrument verwendet, den Bürger "auf Distanz" zu halten.

Im österreichischen Verfassungskonvent haben Sie die Beratungen des Ausschusses „Demokratische Kontrollen“ zum Thema „Amtsverschwiegenheit“ geleitet. Waren die Beratungen zu diesem Thema sehr kontroversiell? Welche Grundlinien haben die Diskussion geprägt? Zuvor aber: Dürfen Sie diese Frage überhaupt beantworten – oder sind Sie an eine Verschwiegenheitspflicht gebunden?

Einer der großen Vorteile des Konvents ist, dass es dort keinerlei Verschwiegenheitspflicht gibt. Alle Dokumente sind den Ausschuss- und Konventsmitgliedern gleichzeitig mit allen übrigen Österreichern zugänglich gemacht worden. Es war die erste derartige Veranstaltung, bei der Diskussionen vollkommen offen im Internet geführt wurden.

Mein Ausschuss "Demokratische Kontrollen" hatte sich auf Grund eines ausdrücklichen Wunsches des Präsidiums auch mit den Fragen der Amtsverschwiegenheit zu beschäftigen. Dieses Thema wurde in keiner Weise kontroversiell, sondern sogar außerordentlich konsensual diskutiert. So selten in anderen Fragen im "Kontrollausschuss" Verhandlungen mit einem positiven Ergebnis abgeschlossen werden konnte, so sehr war dies bei der Neuordnung der Amtsverschwiegenheit der Fall.

Kern der vom Ausschuss vorgeschlagenen Neuordnung der Amtsverschwiegenheit ist, dass nicht wie bisher "Amtsverschwiegenheit" und "Informationspflicht" gleichberechtigt nebeneinander stehen sollen, sondern dass der Informationspflicht der Verwaltung eine übergeordnete Bedeutung eingeräumt werden soll. Grundsätzlich wird daher in Zukunft nach Vorstellungen des Ausschusses die Verwaltung dem Bürger Auskunft zu erteilen haben und nur in sehr eingeschränkten, wesentlich wenigeren Fällen als bisher, wird sich die Verwaltung auf die Amtsverschwiegenheit berufen können. Praktisch soll dies vor allem dann möglich sein, wenn die Sicherheit und die Interessen Dritter gefährdet werden würden. Es wird daher auch in Zukunft einem steckbrieflich Gesuchten nicht möglich sein, von der Polizei Auskunft zu begehren, welche seiner Decknamen bereits bekannt sind. Genauso wird man sich der österreichischen Rechtskultur entsprechend auch nicht über das Einkommen des Nachbarn informieren können.

Generell soll aber die Verwaltung verpflichtet werden – sofern solche Kriterien nicht vorliegen – Auskunft zu erteilen, gleichgültig ob es sich hiebei um Informationen über den Anfragesteller selbst oder andere Informationen handelt, die eine gesellschaftliche Relevanz besitzen. Diese Auskunftspflicht soll künftig auch für die Justiz gelten.

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Ergebnisse des Ausschusses VIII zum Thema „Amtsverschwiegenheit“ und „Auskunftspflicht“?

Die bisherigen Ergebnisse des Österreich-Konvents sind eher bescheiden. Die Schaffung einer generellen Auskunftspflicht stellt daher ein wichtiges Ergebnis der bisherigen Konvents-Beratungen dar. Zudem ist es das einzige bisherige Arbeitsergebnis des Konvents, das unmittelbar dem Bürger zugute kommt. Dieses Reformprojekt ist daher für eine Modernisierung der Verfassung von ganz besonderer Bedeutung. Nur wenn mehrere derartige bürgerorientierte Reformen gelingen, besteht eine Chance, dass die Bevölkerung die "neue Verfassung" auch tatsächlich annimmt.

Zudem ist eine Einschränkung der Amtsverschwiegenheit Voraussetzung für eine moderne und bürger- sowie serviceorientierte Verwaltung. Die Beseitigung der Amtsverschwiegenheit mag vor allem anfangs von der Verwaltung als unnotwendige Belastung betrachtet werden. Letztendlich erhöht sie aber die Akzeptanz des Verwaltungshandelns. Sie wäre somit ein Fundament für ein neues Vertrauensverhältnisses zwischen der Verwaltung und dem Bürger.

Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass die Vorschläge des Ausschusses zu Amtsverschwiegenheit und Auskunftspflicht umgesetzt werden? Welche Schritte müssen bis zur Reform durchlaufen werden und wann ist frühestens damit zu rechnen, dass neue Regelungen zu Amtsverschwiegenheit und Auskunftspflicht in Kraft treten?

Diese Frage hängt nicht zuletzt von der Umsetzbarkeit des gesamten Ergebnisses des Österreich-Konvents ab. Gelingt es in den bevorstehenden Schlussberatungen ein möglichst hohes Maß an Konsens zu erzielen, dann wird dies sicherlich die Beschlussfassung einer neuen Verfassung beschleunigen. Bleibt aber die Abschaffung der bisherigen Amtsverschwiegenheit und die Begründung einer Informationspflicht als eine der wenigen Arbeitsergebnisse der vergangenen 1 ½ Jahre übrig, so hoffe ich, dass es dennoch eine möglichst rasche Umsetzung gibt, - sicher bin ich mir aber nicht.

Ergebnis der Konventsarbeit wird jedenfalls ein fertig formulierter Verfassungstext sein. Zusätzlich wird sicherlich auch noch ein Ausführungsgesetz benötigt werden. Dieses wird – ebenso wie die Verfassungsbestimmung selbst – einem Begutachtungsverfahren zu unterwerfen sein. Ich rechne daher nicht damit, dass eine Umsetzung vor einer Frist von 1 ½ bis 2 Jahren nach Abschluss der Konventstätigkeiten gelingen kann.